aparigraha 06: Ersetzen
Es gibt ein seltsames Phänomen, das sich automatisch ergibt sobald man Platz geschaffen hat… man füllt ihn schnell mit etwas Neuem. Kaum habe ich meine große Singlewohnung in eine kleine Pärchenwohnung getauscht, ist alles enger und voller als vorher. Und das obwohl ich so fleißig aussortiert habe? Irgendwas läuft hier falsch, oder besser gesagt zu langsam. Ein weiteres Mal wandere ich durch die gemeinsame Wohnung und nehme mir Ecke für Ecke vor. Was haben wir doppelt? Wenn wir etwas doppelt haben: was davon ist in einem besseren Zustand? Was funktioniert nur noch „so es geht so“? Und was können wir einfach nicht mehr sehen? Es ist immer noch viel und selten ausreichend wenig. Um erfolgreich dagegen ankommen zu können hilft nur eins: nichts Neues mehr hinzufügen, sprich Kaufstopp ab jetzt!
Das Schönste bleibt
Besonders leicht fällt mir das bei Klamotten. Geholfen hat mir dabei auf jeden Fall die Idee von Modeprotest, sich in der Fastenzeit auf eine reduzierte Garderobe von circa 70 Kleidungsstücken zu reduzieren. Diese „Protestgarderobe“ halte ich seit meiner ersten Teilnahme 2013 bei und brauche seitdem nur noch einen 1-Meter-Kleiderschrank statt die doppelte Größe zuvor. Sehr deutlich wurde mir in der Zeit, dass ich bestimmte Lieblingsklamotten habe, die ich immer wieder regelmäßig anziehe. In der Zeit habe ich mir z.B. durchgelaufene Sandalen genau in dem Modell nachgekauft, also ersetzt nachdem sie „durch“ waren. Nicht mehr mehr mehr, sondern weniger und qualitativ stattdessen.
Dieses Prinzip lies sich erstaunlicherweise genauso einfach auf weitere Bereiche außerhalb des Kleiderschranks ausweiten. In der Küche wählte in z.B. unter drei Schneebesen den Besten aus, reduzierte das Geschirrservice von 12 auf 6 Personen (mehr würden sowieso nicht gleichzeitig in unsere Wohnung passen) und verabschiedete mich endlich von etlichen stumpfen Messern. Mehr als einmal kann ich eh nicht schneiden, basta. Handtücher… nur noch die Weichen in einer Farbe. Bettwäsche… ein Set im Bett, eins im Schrank. Bücher… jene, die ich ein zweites Mal lesen würde. Und Kosmetikartikel… so lange bis sie leer sind. Vorher kommt mir nichts Neues mehr ins Haus.
Tausche Alt gegen Neu
Bis hierher recht easy, nur dann kam das Technikproblem. Mein iPhone fällt zum zweiten Mal in 3 Monaten auf den Boden und ist nun endgültig hinüber, zumindest der Display. Damit dieser sich nicht in kleine Glassplitter auflöst, lege ich eine Folie drüber und klebe sie mit Masking Tape zusammen. Sie gar nicht mal so schlecht aus… das ist auf jeden Fall extrem individuell. Viel sehe ich nun nicht mehr – Fotospaß adé – doch zumindest ratsche ich mir jetzt nicht mehr die Daumen auf beim tippen bzw. wischen. Zugegeben, alles etwas unluxuriös, aber dafür der beste Einstieg ins Digitalfasten und mediale Entschleunigung. Nach einiger Zeit in diesem eingeschränkten Zustand wird mir wieder klar: das Telefon ist zum telefonieren da und im Web surfen via Kleingerät ist eh Zeitverschwendung. An dessen stelle rückt stattdessen wieder die gute alte Zeitung und das in die Luft starren und nichts tun. Ich habe vor so lange in diesem Zustand auszuharren bis mein Vertrag ausläuft und ich ein einigermaßen umweltfreundliches Smartphone finde (Hoffnung auf ein verbessertes Fairphone 3). Meine Schwester verkürzt dann aber diese Wartezeit, als sie mir ihr altes Smartphone für den Übergang anbietet. „Das liegt eh nur rum.“ Herrje, wer weiß wieviele Smartphones auf dieser Welt einfach nur rumliegen… Dankend nehme ich es an und wundere mich in welch gutem Zustand das 3 Jahre alte Nicht-iPhone ist. Ich rüste es auf mit einem neuen Akku und größerer Speicherkarte und schon bin ich zurück im modernen Kommunikationshimmel. Klar wird mir: es reicht, auch in dieser Einfachheit. Mehr Luxus als das bisschen Schnelligkeit und die ganz gute Kamera brauch es nicht um digital glücklich zu sein. Kaputt, ersetzt, wieder heil, glücklich.
Über die Aktion „aparigraha“
Mein Vorsatz für das Jahr 2016 ist, endlich mal auszusortieren und innerlich „klar“ zu werden. Ich beschäftige mich dabei verstärkt mit „aparigraha“, dem sich Freimachen vom Materiellem und Horten von Dingen, eines der 5 Yamas der Yoga-Sutras von Patanjali. Jeden Monat werde ich mir ein neues, eigenes Thema vornehmen, Ziele setzen und diese innerhalb der 4 Wochen umsetzen. Der Plan ist, Stück für Stück zu entrümpeln, bis ich mich später im Jahr von meiner Wohnung trennen und mich verkleinern werde.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!